VUCA schreit nach neuem Wissen und Kompetenzen
Wir leben in einer sich immer schneller verändernden Welt, in der fast nicht mehr planbar ist und das, was gestern noch als Lösung galt, heute bereits nicht mehr funktioniert. Für Organisationen stellt das große Herausforderungen dar.
Das betrifft auch unsere eigenen Kompetenzen und unser Wissen:
Früher war es so, dass man das, was man gelernt hatte, sehr lange anwenden konnte. Man eignete sich Wissen an und betrachtete es als sein eigenes Kapital. Je mehr Wissen man sich aneignete, um so wertvoller war man. Wissen war nicht einfach allgemein zugänglich. Man benötigte den Zugang zu den richtigen Bibliotheken, unfassbar viel Zeit für die Recherche, wo man was finden konnte und noch mehr Zeit, bis man die recherchierten Werke in der Hand hatte. Vermittelt wurde das Wissen an den entsprechenden Instituten und Universitäten, zu denen man auch erst einmal Zugang benötigte.
Heute wird die Haltbarkeit von Wissen immer kürzer. Damit wird der Wissenserwerb zu einem stetigen Prozess. Es gibt ständig neue Erkenntnisse, neue Tools und zu beachtende Regeln. Allerdings ist Wissen auch allgemein verfügbar. Nur durch angeeignetes Wissen ist niemand mehr wertvoll.
Ganz im Gegenteil – heute sind die Menschen wertvoll, die relevantes Wissen teilen, sich immer wieder aktuelles Wissen aneignen können, es anwenden und eine hohe Fähigkeit zum kollaborativen Zusammenarbeit haben.
Die früher so wertvolle Fach- und Methodenkompentenz ist nach wie vor wichtig, aber steht mittlerweile nicht mehr im Vordergrund.
Das stellt das gesamte Bildungssystem, vor allen Dingen aber die Organisationen und deren Personalentwickler vor große Herausforderungen:
- Welche Fähigkeiten und Kompetenzen gelten als Zukunftskompetenzen und werden benötigt, um in der VUCA-Welt gut aufgestellt zu sein?
- Wie können diese Fähigkeiten und Kompetenzen am sinnvollsten erworben werden?
Zukunftskompetenzen für die VUCA-Welt
Der Stifterverband und McKinsey haben schon im Sommer 2018 ein Future Skills Framework auf Basis der Aussagen von Personalverantwortlichen entwickelt und drei Hauptkategorien von beruflichen Kompetenzen benannt. Eine Aktualisierung erfolgte mit dem Diskussionspapier Future Skills 2021 – 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel. Die Änderungen und Ergänzungen zu 2021 findest du in kursiver Schrift.
Ich persönlich finde es sehr spannend, welche Änderungen sich bereits in diesem Zeitraum von nur 3 Jahren ergeben habe. So wurde beispielsweise eine komplette Hauptkategorie – die transformativen Kompetenzen – ergänzt.
Hier die Übersicht:
Digitale Grundkompetenzen (aktualisiert: Schlüsselkompetenzen)
Bereits heute sind diese Fähigkeiten notwendig, um sich in der digitalen Welt zurechtzufinden und an ihr teilzuhaben:
- digitale Wissensgenerierung (digitales Lernen)
- informierter Umgang mit Daten im Netz (Digital Literacy)
- Fähigkeit zum kollaborativen Arbeiten
- kritisches Hinterfragen und ethische Entscheidungsfindung (digitale Ethik)
- Agiles Arbeiten
Diese Fähigkeiten werden mittlerweile praktisch vorausgesetzt, da ohne sie eine Teilhabe am Alltag nur eingeschränkt möglich ist.
Ohne diese Grundfähigkeiten ist man praktisch auf dem Stand eines Analphabeten.
Spätestens in der Pandemie, in der plötzlich Home Office Pflicht bestand, Home Schooling durchgeführt wurde und Veranstaltungen nur noch online durchgeführt wurden, hat sich gezeigt wie wichtig diese Kenntnisse sind.
Nicht von ungefähr ist mit der Aktualisierung 2021 auch „Agiles Arbeiten“ unter dem Bereich „Digitale Grundfähigkeiten“ aufgeführt. Es geht schon gar nicht mehr um das agile Arbeiten an sich – sondern in digitaler Form. Längst befinden sich Teams nicht mehr ständig komplett an einem Ort. Die hybride, bzw. komplett virtuelle Kollaboration ist in vielen Organisationen gelebter Alltag.
Klassische Kompetenzen
Die klassischen Fähigkeiten sind nicht digitale Schlüsselkompetenzen, die den Grundstein für berufliche Erfolge, aber auch für den Erfolg von Organisationen darstellen.
Aus Sicht der Unternehmen wird die Bedeutung dieser Fähigkeiten in den kommenden Jahren im Arbeitsleben zunehmen:
- Adaptionsfähigkeit (wird zu Resilienz in den Future Skills 2021)
- Kreativität
- Problemlösungsfähigkeit
- unternehmerisches Handeln und Eigeninitiative
- Durchhaltevermögen (fehlt in den Future Skills 2021)
- interkulturelle Kommunikation
In diesem Bereich hat eine Verschiebung stattgefunden: Wichtiger werden zunehmend Kompetenzen die auf Flexibilität, Lösungskompetenz und Zusammenarbeit – auch über Grenzen hinweg – abzielen. Insbesondere die Punkte „Resilienz“ und „unternehmerisches Handeln und Eigeninitiative“ zeigen, wie wichtig auch Selbstentwicklung, die Übernahme von Verantwortung, aber auch die eigene Achtsamkeit sind.
Technologische Kompetenzen
Kompetenzen zur Gestaltung und effizienten Nutzung von Technologien. Diese spezifischen technologischen Fähigkeiten werden im Gegensatz zu den oben genannten nicht von der breiten Masse benötigt.
- komplexe Datenanalyse (wird zu Data Analytics & KI)
- Smart Hardware-/Robotik-Entwicklung
- Webentwicklung
- nutzerzentriertes Design
- Konzeption und Administration vernetzter IT-Systeme
- Quantencomputing
Transformative Kompetenzen
- Urteilsfähigkeit
- Innovationskompetenz
- Missionsorientierung
- Veränderungskompetenz
- Dialog und Konfliktfähigkeit
Nach dem aktualisierten Diskussionspapier des Stifterverbandes ermöglichen die nicht-digitalen transformativen Kompetenzen Menschen, sich gesellschaftlicher Herausforderungen bewusst zu werden, visionäre Lösungen zu entwerfen und den Mut zu haben, Andere von diesen zu überzeugen. Kompetenzen, die man benötigt, um in der VUCA-Welt schnell und flexibel agieren zu können.
VUCA erfordert auch immer wieder neue Allianzen und Kollaborationen, um auf die immer komplexeren Herausforderungen reagieren zu können.
To-do’s für Organisationen
Die Herausforderungen von morgen (und eigentlich auch bereits heute, in unserer VUCA-Welt) erfordern ganz andere Kompetenzen, als die, nach denen über Jahrzehnte Mitarbeitende eingestellt und weitergebildet wurden – und zum Teil auch noch werden.
Auf den Prüfstand gehören daher unbedingt:
- Ausbildungskonzepte
- Weiterbildungskonzepte
- Stellenbeschreibungen
- Einstellungsverfahren (Tests, Assessment Center, usw.)
Ausbildungskonzepte
Geh nicht davon aus, dass die oben genannten für die Zukunft erforderlichen Kompetenzen in Schule oder Berufsschule erworben werden können. Sehr wahrscheinlich musst du innerhalb deiner Organisation Möglichkeiten finden, um deine Auszubildenden hier zu qualifizieren.
Geh am besten alle Module deiner Ausbildungskonzepte mit deinen HR Verantwortlichen durch: Wie kannst du sicherstellen, dass deine Auszubildenden für die Organisation notwendige Zukunftskompetenzen erwerben?
- Was wird wodurch bereits abgedeckt?
- Was fehlt vielleicht komplett?
- Was muss in welcher Form verändert oder ergänzt werden?
Tipps:
Seit dem Wintersemester 2021 wird ein dualer Masterstudiengang „Future Skills and Innovation“ über die Technische Hochschule Mittelhessen angeboten, der sich unter anderem auf das Future-Skills-Framework bezieht.
In Schleswig-Holstein werden über das Future Skills Weiterbildungsportal, einer hochschulübergreifenden Lernplattform, allen Studierenden kostenlose Online-Kurse zu technologischen, digitalen und klassischen Fähigkeiten angeboten.
Weiterbildungskonzepte
Orientieren sich die Weiterbildungskonzepte bereits an den o.g. Kompetenzen? Wie werden sie vermittelt?
- Schickst du deine Mitarbeitenden für ein oder zwei Tage in Seminare? Kann der Erlernte direkt im Anschluss angewendet werden?
- Gibt es modular aufgebaute Weiterbildungen, ggf. mit Umsetzungsphasen und Unterstützung, wie z.B. Tutoring oder Coaching?
- Nutzt du Blended Learning?
- Gibt es internen Wissenstransfer?
- Schickst du deine Mitarbeitenden auf Learning Journeys?
Stellenbeschreibungen
Überprüfe deine Stellenbeschreibungen darauf, was du von idealerweise erwartest:
- Listest du Fachwissen auf, oder auch bestimmte Kompetenzen?
- Erwartest du gute Abschlüsse oder legst du mehr Wert auf Adaptionsfähigkeit, unternehmerisches Handeln und Eigeninitiative (bist du auch bereit, den Raum dafür zu geben?), die Fähigkeit, sich Wissen digital selbstständig anzueignen, usw.?
- Was ist dir wichtig? Wird genau das auch in den Stellbeschreibungen kommuniziert?
Einstellungsverfahren
Wenn du die Stellenbeschreibungen überarbeitet hast, wirst du sehr wahrscheinlich auch Veränderungen an deinem Einstellungsverfahren vornehmen müssen.
- Wie kannst du bei Einstellungen überprüfen, welche Kompetenzen wirklich vorhanden sind?
- Willst du mit Fallbeispielen und damit verbundenen Aufgaben arbeiten?
- Willst du Tests einsetzen?
- Wie werden sich die Gesprächsführung und Inhalte der Vorstellungsgespräche ändern?
Fazit
Das lebenslange Lernen hat in der VUCA-Welt eine völlig neue Bedeutung bekommen:
Die Kompetenzen, die heute gefragt sind, um das morgen zu bewältigen, sind andere, als die, die noch vor Jahren gefragt waren. Natürlich braucht es noch Fachwissen – aber beispielsweise auch die Kompetenz, wie man dieses immer aktuell hält und entsprechend anwendet. Heute ist Eigeninitiative und Eigenverantwortung gefragt. Die Herausforderungen der VUCA-Welt fordern eine hohe Flexibilität und die Fähigkeit zu Kooperation und Kollaboration.
Kompetenzen, die unsere kognitive und emotionale Selbstwirksamkeit stärken, bekommen einen immer höheren Stellenwert. Damit stellt VUCA auch die Weiterbildung auf den Kopf.
Interessant?
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