Das macht ein World Café aus
Immer wieder werde ich gefragt, was denn eigentlich die von mir so geliebten World Cafés sind und wofür man die eigentlich braucht.
Vielleicht hast Du auch schon ein World Café erlebt in dem es darum ging, sich an unterschiedlichen Tischen zu verschiedenen Themen auszutauschen. Das ist informativ, aber kein World Café. Eher ein Etikettenschwindel…
World Café ist eine echte Methode mit eigenen Regeln. Seit Jahrzehnten wird das von Juanita Brown und David Isaacs entwickelte World Café erfolgreich in Unternehmen, in der Politik, in Gemeinden und Nachbarschaften eingesetzt.
Genutzt wird es gerne, wenn das Wissen und die Intelligenz vieler Personen gefragt ist, deswegen ist es gerade in öffentlichen Bereichen extrem populär.
Das kannst Du mit einem World Café erreichen
Ein World Café bietet sich an, wenn Ihr einer Fragestellung, einem Problem oder einer Herausforderung auf den Grund gehen wollt. Was ist der Kern des Ganzen? Worum geht es wirklich?
Du kennst das sicherlich: Du schilderst Deinem Team eine Herausforderung die Ihr lösen müsst. Hand aufs Herz: Wie oft hast Du schon während Du erzählt hast gemerkt, dass einige darauf brannten, Dir ihre Lösung zu präsentieren?
Das ist zwar gut gemeint und schnell, führt aber auch sehr häufig in die Irre. Aus dem einfachen Grund, weil die Lösung schon da war, bevor das Problem überhaupt vollständig verstanden wurde.
In einem World Café wird statt nach einer Lösung nach einer Frage gesucht: Nämlich nach der, die wahrscheinlich unter vielen anderen Fragen verborgen ist und genau die ist, die beantwortet werden muss, um das ursprünglich genannte Problem lösen zu können.
So funktioniert ein klassisches World Café
Das World Café bietet einen Raum für kreative Gespräche und Ideen. Die Teilnehmenden sitzen an kleinen Tischen und diskutieren die vorgegebenen Fragestellungen. Der Austausch wird in diesen Minirunden erleichtert und intensiviert: Jeder ist aktiv dabei und bringt sich ein.
Durch die immer wieder wechselnden Gesprächspartner werden die Fragestellungen immer wieder aus anderen Perspektiven diskutiert.
Nach festgelegten Zeitrhythmen wechseln die Teilnehmenden die Tische, so daß sich die Gesprächsgruppen neu zusammensetzen. Dadurch werden die Gedanken, Ideen und Ansichten zu der Fragestellung von Tisch zu Tisch miteinander vernetzt. Alle Teilnehmenden bekommen so die Möglichkeit, sich mit den Themen und Fragen, die im Raum präsent sind, zu verlinken und erhalten immer wieder neue Sichtweisen und Ideen zu dem Thema.
- Wissen, Perspektiven, Erfahrungen aller Teilnehmenden werden innerhalb kürzester Zeit vernetzt.
- Verschiedene Perspektiven und Herangehensweisen werden erkannt.
- Muster und Zusammenhänge werden sichtbar.
- Die Fragestellung, auf die es letztendlich ankommt, kristallisiert sich klar heraus
Der klassische Ablauf:
1. Runde | Fragestellung, die die Teilnehmenden emotional in das Thema holt. |
2. Runde | Fragestellung direkt zum Thema |
Tischwechsel | |
3. Runde | Gleiche Frage wie in der 2. Runde |
Sammeln erster Erkenntnisse | |
Tischwechsel | |
4. Runde | Fragestellung, die tiefer in das Thema eintaucht |
Tischwechsel | |
5. Runde | Gleiche Frage wie in der 4. Runde |
Sammeln von Erkenntnissen |
Du meinst, das sei viel Aufwand um eine Frage zu finden? Überleg Dir, wie oft Ihr in Deiner Organisation schon ein Problem lösen wolltet und erst mitten im Prozess – schlimmstenfalls bei der Vermarktung eines neuen Produktes – festgestellt habt, dass Ihr entweder das Problem nicht verstanden hattet, oder mit Eurer Lösung auf dem falschen Weg wart.
Denk immer daran: Wir sind gewohnt, immer in Lösungen zu denken. Leider haben wir deshalb oft schon Lösungen parat, bevor wir überhaupt das Problem richtig verstanden haben.
Genau hier hilft das World Café.
Das musst Du vorab klären
Um was geht es?
Welchem Thema, welcher Problemstellung oder Herausforderung wollt Ihr auf den Grund gehen?
ACHTUNG: Sollte es ein Thema sein, welches in Deiner Organisation sehr kontrovers und emotional diskutiert wird, solltest Du es nicht in ein World Café einbringen. Die Gefahr, dass die Gespräche an den Tischen außer Kontrolle geraten, ist dann extrem hoch.
Ein anderer Ansatz ein Problem genau zu erfassen und dann auch eine optimale Lösung zu finden, bietet Design Thinking (Erstellen einer Persona und Definition des Kernproblems). Allerdings arbeitetest Du dort eher mit einer kleinen Gruppe, während ein World Café ein klassisches Großgruppenformat ist.
Wer soll am World Café teilnehmen?
Grundsätzlich gilt: Je heterogener die Teilnehmer, je besser die Erkenntnisse.
Wenn Du ein World Café in Deiner Organisation planst, solltest Du die Einladung also möglichst breit aussprechen. Über Abteilungen, Bereiche und Hierarchien hinweg. Selbstverständlich kannst Du je nachdem, worüber Ihr Klarheit gewinnen wollt, auch Externe einladen. Kunden, Lieferanten, Nachbarn, Schüler, Studierende.
Ich habe selbst in 2000er Jahren regelmäßig ein öffentliches World Café im Umfeld der Düsseldorfer Kö angeboten. Die Bandbreite der Teilnehmenden reichte von Bankern, Anwälten, über Hausfrauen, Studierende, bis hin zu einem professionellen Clown. Ziemlich alle Altersgruppen waren vertreten. Das war großartig!
Welche Fragen werden in den einzelnen Runden gestellt?
Bereite die Fragen akribisch vor. Je besser die Fragen sind, je besser werden Engagement, die Gespräche und die Erkenntnisse sein. Am besten stellst Du ein Vorbereitungsteam in Deiner Organisation zusammen. Genauso heterogen, wie Du die Teilnehmenden gerne hättest und so, dass sich möglichst alle repräsentiert fühlen.
Wie viele Personen werden teilnehmen?
Für Deine Planung ist das ein wichtiger Faktor. Du benötigst einen entsprechenden Raum mit der passenden Anzahl an Tischen und Stühlen. Ihr braucht genug Platz, da zwischendurch Tischwechsel stattfinden.
Wie ist der Zeitrahmen?
Hier ein Beispiel zur Kalkulation: Ich arbeite gerne mit 4 Personen pro Tisch und 15 Minuten pro Fragerunde. Drei Runden sind Minimum, besser sind fünf. Dazu musst Du Zeit einkalkulieren für die Tischwechsel, eine Pause mit der ersten Sammlung von Erkenntnissen und die „Ernte“ am Ende.
Wie wird der Raum vorbereitet?
Du kannst mit 3er, maximal mit 6er Gruppen arbeiten. Ich arbeite mit 4er Gruppen, wann immer es geht.
Du brauchst also genügend Tische/Stehtische, um die Teilnehmenden unterzubringen. Denk auch daran, dass je nachdem, wie der Zeitrahmen gesteckt ist, Stehtische zu anstrengend werden können.
Welche Materialien werden benötigt?
- Tischdecken aus Papier (zum bemalen und vollkritzeln)
- reichlich Filzstifte (ich stelle die immer pro Tisch in einem großen Kaffeepott zur Verfügung)
- ein Talking Object (ich bin stolze Besitzerin einer Kuhherde: Bei mir steht auf jedem Tisch eine Kuh auf einer künstlichen Graswiese mit Blümchen)
- Tischzelt mit allgemeinen Regeln und Regeln für Gastgeber
- Moderationskarten, Post its oder ähnliches
- Moderationswände, freie Wand
- gegebenenfalls Materialien für eine Wandzeitung
- In meinen World Cafés stehen immer Getränke und etwas zum Naschen auf jedem Tisch
- Stoppuhr, Wecker, Time Timer oder ähnliches
Visualisierung der Erkenntnisse
Stell alles zur Verfügung, damit die Teilnehmenden während der Tischgespräche auf die Tischdecke malen, zeichnen, kritzeln können.
Du kannst mit Moderationskarten und -wänden, Wandzeitungen, Plakaten usw. arbeiten. Eine zusätzliche Möglichkeit besteht darin, alles zusätzlich live grafisch darstellen zu lassen – durch Graphic Recording, wie es z.B. Auge-an-Hirn anbietet. Auf der Seite ist Graphic Recording auch gut erklärt.
Moderation
Regeln klar kommunizieren:
- Fokussieren auf das, was wichtig ist
- Eigene Sicht- und Denkweisen einbringen
- Zuhören und verstehen
- Zusammen nach Mustern, Erkenntnissen und tiefer liegenden Fragen Ausschau halten
- Ideen verbinden
- Malen, kritzeln, notieren
- Gemeinsame Erkenntnisse teilen
- Bei Tischwechsel bleibt pro Tisch ein Gastgeber sitzen, der die Ankommenden begrüßt und kurz die Erkenntnisse aus der vorigen Runde zusammenfasst.
Die einzelnen Zeitfenster genau einhalten.
Zur Nutzung des Talking Objects ermuntern: Nur derjenige, der das Talking Object (bei mir eben die Kuh) in der Hand hält, spricht. Erst wenn das Talking Object wieder auf dem Tisch liegt (oder die Kuh auf der Weide steht), ist der nächste dran.
Praxistipp:
In einem World Café finden die Gespräche in kleinen Gruppen statt. Wenn ich moderiere, gehe ich gerne mit Getränken, weiteren Snacks usw. von Tisch zu Tisch und versuche von allen Tischen die Stimmung einzufangen ohne zu stören. Nur so habe ich eine Chance kurzfristig einzugreifen, falls an einem Tisch ein Gespräch aus dem Ruder laufen sollte.
3 Fehler und wie Du sie vermeidest
1. Teilnehmende führen Streitgespräche
Themen, welche sehr kontrovers und emotional diskutiert werden solltest Du nicht in ein World Café einbringen. Die Gefahr, dass die Gespräche an den Tischen außer Kontrolle geraten, ist dann extrem hoch.
Du hast wenig Möglichkeiten einzugreifen, da Du nicht gleichzeitig an jedem Tisch sein kannst. Bekommen Teilnehmende am Nachbartisch ein emotionales Streitgespräch mit, kann sich das sehr schnell zu einem regelrechten Flächenbrand entwickel.
Für solche Themen eignen sich andere Formate, wie z.B. eine Zukunftswerkstatt besser.
2. Teilnehmer unterhalten sich angeregt, beschäftigen sich aber nicht mit der Fragestellung
Das Thema muss wichtig für die Teilnehmenden sein und die von Dir, bzw. der Vorbereitungsgruppe herausgearbeiteten Fragen für die einzelnen Runden relevant. Dann ist entsprechendes Engagement da.
Die Teilnehmenden müssen freiwillig da sein. Sobald Teilnehmende zwangsverpflichtend sind und vielleicht selbst kein allzu großes Interesse an dem Thema haben, versuchen sie auf andere Themen abzulenken.
3.Teilnehmer plaudern über dies und das
Wenn Du merkst, dass sich eher lockere „Langeweile“ einstellt, hast Du zu große Zeitfenster gesetzt. Ich habe noch nie ein World Café erlebt, indem sich nicht nach jeder Runde ein kollektiver Schrei nach mehr Zeit erhob. Um relevante Erkenntnisse zu bekommen, braucht es nicht viel Zeit.
Fazit
Ein World Café ist perfekt geeignet, wenn Du eine Frag- bzw. Problemstellung wirklich verstehen willst, bevor Du damit beginnst, über Lösungen nachzudenken.
Ganz nebenbei finden in einem World Café Gespräche auf einer sehr viel tieferen Ebene statt. Unabhängig davon, ob sich die Teilnehmenden kennen oder nicht. Echte Gespräche statt Smalltalk. Gespräche, die etwas bewegen.
Du interessiert Dich für ein World Café, möchtest die Organisation und Durchführung aber lieber einem externem Facilitator überlassen?
Melde Dich einfach bei mir. Ich habe 2005 über meine ersten World Cafés (damals öffentlich in einem Teehaus an der Kö in Düsseldorf) meine große Leidenschaft für Open Space Veranstaltungen entdeckt und mich seitdem immer stärker auf Facilitation konzentriert. Ich habe Erfahrung mit kleinen und großen Gruppen und führe World Cafés vor Ort und online durch.
Ich freue mich auf Dich!
Literaturtipp:
Juanita Brown/David Isaacs: Das World Café. Kreative Zukunftsgestaltung in Organisation und Gesellschaft
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